Julian Palacz

Benjamin Kaufmann

Surveillance Studies

Ohne Druck, ohne dass seine Subjekte es merken, lässt Julian Palacz Menschen für sich zeichnen. Ihre Bewegungen werden zu seinen Linien. Ihnen geschieht keine andere Verletzung als der unmittelbare Zugriff auf sie selbst – Methode und Thema verschmelzen. Die Überwachung als Prozess wird durch ihre anonymisierten Subjekte vordergründig sichtbar. Dadurch aber werden auch ihre unsichtbaren Dynamiken deutlich: Niemand entkommt. Niemand wird gefragt. Niemand hat die Möglichkeit, Einspruch zu erheben. Spricht Palacz über die Berechnung der Vektoren, betont er die Fehleranfälligkeit seiner Arbeitsweise: Kreuzt sich der Weg zweier Menschen, kann die Linie des einen in jene Richtung weitergezeichnet werden, in die der andere gegangen ist. Das erwartete, das errechnete Verhalten, jenes, das gedruckt schön anzusehen ist, ist maßgeblich. Die davon abweichende Entscheidung eines Individuums wird gelassen korrigiert. Der hochfeine Pigmentdruck lässt auf den ersten Blick annehmen, Fäden lägen auf weißem Grund: Das Netz ist offensichtliche – aber nicht minder treffende Trope für diskrete Arbeit und lauernde Bedrohung.

Erschienen in wespennest 169 – Mensch und Maschine