Zu welchen Resultaten führen unsere Tätigkeiten? Resultate sind immer aus den verschiedensten sich widersprechenden, ergänzenden, verstärkenden Bewegungen und Elementen komponiert. Aufgrund der Komplexität der Umstände und Aktionen sind sie meist nicht in vollem Umfang voraussehbar. Ein Programm, das die Bewegungen eines Cursors, eines "Mauszeigers" aufzeichnet, ungeachtet der jeweils gewählten Optionen, konfontiert nach einer limitierten Periode der Notation mit einer ästhetischen Überraschung, nämlich mit einem dichten Netz und Knäuel sich expressiv verdichtender Ätzungen, die in größter Anspannung darauf aus zu scheinen, einen von ihnen verdeckten oder unsichtbaren Gehalt zu fassen. Auch Vogelspuren im Schnee, abgelichtet in sinkendem Licht, haben diesen Charakter der streunenden Suche. Von den Vögeln glauben wir zu wissen, was sie aufpicken wollen, durch die harsche Schneeschicht von dem getrennt, was ihnen Gehalt wäre. Was wir in unsere Netze ziehen und ziehen wollen, wissen wir oft nur in unklarer Erinnerung. Um so individueller gestaltet sich das Profil unseres Suchens, sind die Schwer- und Kreuzungspunkte unserer Bewegungen gesetzt. Sie betrachtend, können wir nicht umhin, erheitert unser Bewegen und Bewegtsein von der Seite einer uns neuen Projektion anzusehen.
Text von Dr. Konstantin Kaiser
Um sich effizient global verteilen zu können, brauchen die kulturellen Praktiken der Gegenwart Medien und Technik. Nur so können sie ihre notwendige diskursive Kraft aufrecht erhalten. Kultur und Kunst werden zunehmendem in ihren gesellschaftlichen Prozessen von Computer, Algorithmus und Code der Gestalt auch erweitert, dass wir im Sinne Latours von neuen sozialen Formen der Vergemeinschaft sprechen müssen. Gemeinschaften, die sich dadurch auszeichnen, nicht-humane Entitäten als Entscheidungs- und Mandatsträger zur Entwicklung zukunftstauglicher, gesellschaftlicher Formen und zur Findung eines neuen gesellschaftlichen Konsens zu benötigen. Das bleibt für die künstlerische Praxis nicht ohne Folgen. In Entwurf und Gestaltung verschiebt sich das Kreativitätsmandat in Richtung Maschine. Die Verantwortung für die Findung und Neufindug gestalterischer Formen bewegt sich damit weg vom Künstler, hin zu Algorithmus und Code oder beginnt einfach zwischen diesen beiden Polen frei zu oszillieren. Diese Re-Kontextualiserung allen künstlerischen Bemühens durch Medientechnologien, insbesondere durch Computer, beginnt Kunst neu zu definieren. Die Arbeit „Vogelspuren im Schnee” des Wiener Medienkünstlers Julian Palacz macht diese Veränderungen auf eine intelligente Art und Weise faßbar und weist der Entwicklung des digitalen Bildes eine klare Richtung. Das Bild nicht als Folge einer intentierten Gestaltungsaktes bewußt zu schaffen sondern als alltägliches Nebenprodukt zahlloser Interaktion am Computer frei entstehen zu lassen, führt zu einer Bildsprache, die in ihrer Andersartigkeit befremdet und fasziniert. Am Computer verliert das Bild jede Dimensionalität, da es letztlich auf bloße symbolische Sequenzen aus Nullen und Einsen reduziert wird. Zugleich schafft das die Basis dafür, dass es frei jede beliebige Dimensionalität und Gestalt simulieren kann und so eine universelle Ausdrucksfähigkeit gewinnt. Bei „Vogelspuren im Schnee“ visualisiert und dokumentiert das Bild, wie die Hand des Benutzers die Maus und damit auch den Mousecursor am Computerdesktop bewegt. Wie die Interaktion des Users mit einem einfachen Eingabegerät kaskadierend binäre Abstraktionen am Computer so gestaltet und manipuliert. So, dass unerwartet schöne Visualisierungen von digitalen Gesten entstehen, dass sich gemeinhin nicht wahrnehmbare Gestaltungsprozesse offen zeigen. „Vogelspuren im Schnee“ wirft wunderbar viele Fragen auf, für die Kunst und für die Gesellschaft. Wem verdankt diese Formfindung ihre Kreativität, wem verdankt das Bild seine Gestalt? Dem Benutzer als Künstler, dem verwendeten Algorithmus, dem Entwickler der Computersprache Objective-C, den Ingenieuren von Apple, den Ontologien der Computerbranche oder ganz einfach nur den aggregierten Errungenschaften einer digital vernetzten Gesellschaft? Wenn sich die Urheberschaft des Bildes nicht mehr dingfest machen läßt, was bedeutet dass für die Deutung von Bildern? Entscheidend ist auch die Frage danach, wohin sich die Exegese von Bildern entwickeln wird, wenn der Entstehungsprozess von Bildern mit dem fertigen Bildern an sich zu jedem Augenblick gleichgesetzt ist. Die Mischung aus Algorithmus und Protokoll erlaubt es das Bild „originalgetreu“ immer wieder neu enstehen zu lassen. Digitale Bilder, wie das Werk von Palacz tragen die Zeitlichkeit ihrer Produktion nicht nur in sich, sondern machen sie jederzeit nachvollziebar, machen sie sichtbar – das Bild als Theorie der kalkulierenden Formen. Gerade dieses Sichtbarmachen von alltäglicher Formentstehung rund um uns, scheint ein wesentliches Merkmal des digitalen Bildes der Zukunft vorwegzunehmen. Es zeigt, was passiert, sobald der Protokollraum des Computers in den realen Raum hinein ausgeweitet wird. Die Welt abstrahiert sich im binären Raum nicht nur zunehmend, sondern sie re-konkretisiert sich im gleichen Mass. Letztlich ist die positive Folge davon fortgesetzt neuen Wissensräume über die Kunst für eine neue Gesellschaft zu erschließen.
Text von Thomas Fürstner
Migrierung der ursprünglichen Version auf Windows: Mischan Gholizadeh Toosarani