Konrad Prissnitz
Von Julian Palacz und bildendem Hacken
Palacz' Ästhetik ist stets dezent, elegant. Seine Arbeiten zeigen sich zurückgezogen. Ansonsten etwas verdrossen, könnte man ihnen unterstellen, sie genieren sich ob ihrer Schönheit für ihr Dasein, sind sie doch nur Teilprodukt ihres Ursprungs. Schlimmer noch: meist ergeben sie sich als Recyclingprodukt solcher Teilprodukte, haben aber wiederum nichts mit Umweltschutz zu tun.
Palacz' visualisierte Präzisionen spiegeln auch die Ironie ihrer Konzepte; das geht bei ihm ganz automatisch, wenn nicht gar automatisiert.
Es sind Ströme, die Palacz inspirieren. Fast immer stille, doch keineswegs nur Datenströme und niemals gefällige oder gar trendbedingte. Es können aber ruhig auch Verhaltensströme sein. Wie benutzen Menschen eine von ihm bereitgestellte Reibfläche in Bildformat zum Anrieb ihrer Streichhölzer? Wie streicht ein Maler mit einem Streichholz über Palacz' Vorlage, bevor er seine Zigarette oder seinen Ofen entzündet? Und was ergibt sich aus solchen Strichen? Vielleicht ist es der Reiz des Zufälligen, dem Palacz eine Linie vorzugeben weiß und auf dessen Verlauf er keinen Einfluss nimmt; die Neugierde am Resultat des von ihm bestimmten Zufalls. Palacz' Versuchsanordnungen könnten sich jedoch auch aus einem technischeren Durchblick gebildet haben, der an der Berechtigung, wie auch an der Potenz seiner Werke, schuld sein könnte.
Stromlos ausgelöste Ströme, egal ob des fehlenden Nikotins oder fehlender Wärme wegen, gilt es zu erleben. Den aufgedrängten Strömen, die in Selbstverständlichkeit von Palacz missbraucht werden, denen gilt es sich zu ergeben. Die ergeben sich eben ganz ohne hinschauen; die sieht man gar nicht; da bleibt uns keine Wahl und ihm erst recht nicht. Kontinuierlich auferlegte Ströme zu ver- und bewenden, egal ob es um Bildnisse aus Mausgestiken, die aus mouse loggern generiert wurden (das bedeutet, jede Bewegung, die einem die Maus auferlegt, wird aufgezeichnet, ähnlich einem key logger für Tastaturen) oder dem Output der Überwachungskameras, das durch Passanten in Gehlinien und im Queren einer geregelten Kreuzung umgesetzt wird, geht oder nicht, sind Palacz' Bemühungen immer voraussichtlich bedingt. Und, unabhängig von der konfrontierten Intelligenz, von überraschendem Moment. Wichtiger implizieren sie Thematik; eventuell sogar das Amusement ihres Schaffers, das in Daten-Karikaturen münden könnte.
Wie Palacz an die Rohdaten von Google Maps gekommen ist, bzw. wie er mittels C++ und anderen Programmiersprachen die Daten in ihr Chaos geführt hat, und das nur, um das Ergebnis zu präsentieren, ist mir schleierhaft; schon spannend, aber eigentlich nicht so wichtig. Hat er jemand beauftragt oder Verbindungen zu Geheimdiensten? Das von Google Maps generierte Ergebnis bewegt und Julian Palacz' Arrangement bewegte diese Bewegung. Julians und Googles Zusammenarbeit berichtigt insofern Googles bekannt gute Arbeitsbedingungen; gut gemacht.
Palacz' Algorithmen nehmen sich ebenso Klangsynthesen an, hypnotisieren als Primzahlen-Videos oder beschäftigen die Ergebnisse einer Textabfrage neu. Auch Bankdaten vermag Palacz zu entblößen. Kontoauszüge scheinen ihm besonders willkommen, schließlich sind die ausdruckbar. Er dürfte wohl der Erste sein, der seine Online-Überweisungen automatisiert hat, um Werte zu transportieren. Die Software, die seine Überweisungen regelte, wurde so programmiert, dass sich aus den Ziffern der Ausdrucke und aus etwas Distanz, Bilder ergeben, die meist mosaikartig, in mehreren Auszügen organisiert sind.
Egal, ob Julian Palacz das Chaos seines Bankkontos zu Grafiken ordnet oder die Ordnung seiner Suchabfragen in das Absurde leitet: seine Ansätze funktionieren in beide Richtungen und verstehen es ebenso, unser Datensein zu projizieren. Nicht nur in uns selbst, sondern auch in anderen; ein zynischer Beigeschmack. Es könnte ihm auch darum gehen, uns zu zeigen, was uns umgibt und wem wir seinen Bestand ermöglichen. Vielleicht sind wir mitschuldig an Palacz' Findungen? Darüber freute ich mich noch mehr.